Wie Unternehmen von einer positiven Fehlerkultur profitieren

Der richtige Umgang mit Fehlern ist entscheidend für das persönliche wie das berufliche Fortkommen. Wie wir Fehler bewerten und mit ihnen umgehen, wird geprägt von unserer Fehlerkultur. In Unternehmen kann sich eine positive Fehlerkultur durch motivierte Mitarbeiter und langfristige Effekte bezahlt machen.
Wir erklären, was genau mit dem Begriff „Fehlerkultur“ in Unternehmen gemeint ist, warum viele Firmen noch weit davon entfernt sind, eine positive Fehlerkultur tatsächlich zu leben, und worauf es ankommt, wenn Sie diese in Ihrem Unternehmen etablieren wollen.

Was versteht man unter Fehlerkultur?

Der Begriff „Fehlerkultur“ wird in den Wirtschafts- und Sozialwissenschaften verwendet, um zu beschreiben, wie Menschen in sozialen Gruppen mit Risiken und Fehlern umgehen. Er hat sich in der Mitte des 20. Jahrhunderts aus der Wissenschaft heraus auch in der Wirtschaft etabliert.
Hinweis
Häufig wird der Begriff „Fehlerkultur“ synonym zu „Fehlermanagement“ genutzt. Einige Denkschulen unterscheiden allerdings das Denken über, Bewerten von und den Umgang mit Fehlern (Fehlerkultur) von den implementierten Methoden, um mit tatsächlich passierten Fehlern im Unternehmen umzugehen (Fehlermanagement).
Wenn im Unternehmenskontext von einer positiven Fehlerkultur die Rede ist, ist damit nicht etwa gemeint, dass Unternehmen nun Fehler generell gutheißen. Gemeint ist ein neuer positiver Umgang mit geschehenen Fehlern, der darauf abzielt, weiteren Schaden zu vermeiden und gleichzeitig aus den Fehlern zu lernen, sodass sie zu Katalysatoren für zukünftigen Erfolg werden.

Status quo der Fehlerkultur im deutschsprachigen Raum

Deutschland gilt als Leistungsgesellschaft. Dass Fehler schlecht sind, ist tief in unserer Kultur verankert. Schon in der Schule lernen wir, wer Fehler macht, bekommt schlechte Noten, erfährt also negative Konsequenzen.
Vor allem in der Wirtschaft zählen Erfolge. Fehler, so haben wir es gelernt, sind hier tunlichst zu vermeiden. Wenn Unternehmen hierzulande über den Umgang mit Fehlern sprachen, meinten sie deswegen in der Vergangenheit lange Zeit eigentlich das Vermeiden von Fehlern. Ein anderes Verständnis von Fehlerkultur erreichte erst in den 1990er-Jahren den Mainstream.
Damals legte die japanische Wirtschaft einen enormen Aufschwung hin. Als Grund konnte der Westen schnell die andere Fehlerkultur ausmachen: Während im Westen und besonders in deutschsprachigen Ländern gerne nach einem Schuldigen und den Gründen für einen Fehler gesucht wird, konzentriert man sich in Japan auf die Lösung und die weitere Vorgehensweise.
An diesen unterschiedlichen Haltungen hat sich bis heute wenig geändert. In der Theorie ist den meisten Unternehmen das Konzept einer positiven Fehlerkultur bekannt, die Umsetzung in die Praxis schaffen jedoch nur wenige.

Das große Missverständnis in Sachen Fehlerkultur

Dass eine positive Fehlerkultur in Unternehmen wichtig ist, um den wirtschaftlichen Erfolg zu stützen, ist längst in den Management-Ebenen angekommen. Dennoch lässt sich in der Praxis vielfach die traditionelle Herangehensweise beobachten: Man droht mit negativen Konsequenzen, sollten Mitarbeitern Fehler unterlaufen, und meint, damit würden sie aufmerksamer und genauer arbeiten, wodurch sich die Arbeitsergebnisse verbessern würden.
Tatsächlich erreichen Unternehmen mit einer solchen Fehlerkultur meist das Gegenteil. Wer eine solche Maxime neu einführt, mag zunächst wirklich ein Absinken der Fehlerquote beobachten. Doch auch wenn Vorgesetzte sich auf den ersten Blick oft bestätigt fühlen: Das bedeutet nicht, dass die Ergebnisse langfristig besser werden, sondern nur, dass Angst regiert – und das Unternehmen so in eine Negativspirale geraten könnte.
Denn aus Angst vor Sanktionen trauen sich Mitarbeiter immer weniger, Risiken einzugehen – sie könnten ja einen Fehler machen und damit eine Standpauke des Chefs provozieren, vielleicht sogar eine Abmahnung oder im schlimmsten Fall eine Kündigung. Doch gerade in einer Gesellschaft, in der wirtschaftlicher Erfolg mehr und mehr von unternehmerischer Innovationsfähigkeit abhängig ist, kann eine solche Risikoscheu fatal sein. Sie kann so weit gehen, dass Mitarbeiter lieber gar nicht handeln, statt möglicherweise einen Fehler zu begehen. Wenn sich eine solche Vermeidungskultur etabliert hat, droht sie den Unternehmenserfolg zu sabotieren.
Merkmale einer negativen Feedbackkultur
  • Schuldzuweisungen
  • Vertuschung von Fehlern
  • Öffentliches Bloßstellen von Fehler-Verursachern

Vorteile einer positiven Fehlerkultur in Unternehmen

Eine positive Fehlerkultur ist nicht bloß ein Gefallen, den Unternehmen ihren Mitarbeitern tun, und kein sozialer Benefit, der die Arbeitsatmosphäre verbessert, sondern auch eine effektive Maßnahme, um den wirtschaftlichen Erfolg eines Unternehmens zu sichern.
Denn in jedem Fehler liegt eine Chance für Unternehmen, besser zu werden – vorausgesetzt, sie ignorieren oder beschönigen ihn nicht, sondern analysieren Fehltritte konstruktiv. Das bewirkt, dass nicht nur der betreffende Mitarbeiter lernt, diesen Fehler in Zukunft zu vermeiden und somit besser und effizienter zu arbeiten. Auch andere profitieren, wenn offen und konstruktiv über den Fehler gesprochen wird.
Merkmale einer positiven Fehlerkultur
  • Offener Umgang mit Fehlern
  • Respekt für Fehlereingeständnisse
  • Fokus auf Sachebene und Zukunft

Tipps, wie Unternehmen eine positive Fehlerkultur etablieren können

Eine veränderte, positive Fehlerkultur lässt sich nicht von heute auf morgen per Beschluss einführen, sondern muss von den Mitarbeitern mitgetragen werden und sich entwickeln. Mit diesen Tipps leiten Sie die Fehlerkultur in Ihrem Team in eine positive Richtung:

Kommunikationsstil

Gesteht ein Mitarbeiter einen Fehler ein, sollte Sie als Führungskraft nicht übermäßig emotional, vorwurfsvoll oder gar persönlich beleidigend reagieren. Damit sorgen Sie nur für schlechte Stimmung und verstärken so die Tendenz, Fehler zu vertuschen – bis die Probleme so groß geworden sind, dass sie nicht mehr unter den sprichwörtlichen Teppich gekehrt werden können. In der professionellen Kommunikation sollten Sie stattdessen die Ehrlichkeit des Mitarbeiters wertschätzen, wenn er z. B. aktiv auf Sie zugekommen ist, und sich dann gemeinsam auf die Lösungsfindung konzentrieren.

Vorbildfunktion

Wer einen offenen und respektvollen Umgang mit Fehlern etablieren und von einer Droh- und Vorwurfskultur wegkommen will, sollte als Führungskraft mit gutem Beispiel vorangehen und eigene Fehler unumwunden eingestehen, gleichzeitig aber auch auf das damit verbundene Entwicklungspotenzial hinweisen. Damit untergraben Sie Ihre Kompetenz nicht, sondern leben vor, was Sie auch von Ihren Mitarbeitern einfordern.

Selbstreflexion

Voraussetzung, um aus Fehlern lernen, ist die Fähigkeit jedes einzelnen Mitarbeiters zur Selbstreflexion. Nur wenn der Einzelne seine Fehler selbst und möglichst frühzeitig erkennt, kann überhaupt über Korrektur- und Verbesserungsoptionen nachgedacht werden. Ermutigen Sie Ihre Mitarbeiter, sich trotz des hohen Produktivitätsdrucks Zeit für Reflexion zu nehmen, indem Sie z. B. in Wochenberichten oder in Mitarbeitergesprächen explizit darauf eingehen.

Konsequente Missbilligung negativer Verhaltensweisen

Genauso wichtig wie die Ermutigung zum Fehlereingeständnis ist die konsequente Missbilligung von weiterer Vertuschung. Wenn Sie feststellen, dass Mitarbeiter Fehler nicht oder viel zu spät einräumen, sollten Sie zeitnah das persönliche Gespräch suchen und Ihre Missbilligung klar kommunizieren. Meist ist es gar nicht notwendig, Sanktionen anzudrohen oder umzusetzen. Die emotionale Wirkung eines persönlichen Gesprächs reicht vollkommen aus. Wenn sich herumspricht, dass man mit der alten Vermeidungsstrategie nicht weiterkommt, sondern der Chef wirklich hinter der neuen Offenheit steht, bringt dies alle Teammitglieder in positiven Zugzwang.

Change-Kommunikation

Wenn Sie feststellen, dass sich Ihre Unternehmenskultur in Bezug auf Fehler grundlegend wandeln muss, kann es sinnvoll sein, ein Projektteam zusammenzustellen. Statt alle Neuerungen von oben zu diktieren, können die Mitarbeiter so Teil des Prozesses werden. Die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass sie die Veränderungen auf diese Weise bereitwilliger und engagierter mittragen.

Fehlermanagement

Damit eine positive Fehlerkultur wirkt, müssen Sie klare Prozesse etablieren, wie Sie möglichst viel aus den begangenen Fehlern lernen können. Dokumentieren Sie Prozesse zum Fehlermanagement und führen Sie Prozesse ein, die sicherstellen, dass das Gelernte auch wirklich in den Unternehmensalltag einfließt.
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