Seit dem 08.10.2004 steht den Mitgliedern des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) mit der „Europäischen Gesellschaft“ (Societas Europaea, SE) eine gemeinsame, weitgehend einheitliche Rechtsform für Unternehmen zur Verfügung. Das Grundkapital der SE besteht aus Aktien – in Deutschland hat sich daher im allgemeinen Sprachgebrauch der Begriff Europa-AG durchgesetzt.
Die Rechtsgrundlage der SE bilden eine Verordnung und eine Richtlinie der Europäischen Union:
- Verordnung (EG) Nr. 2157/2001 des Rates vom 8. Oktober 2001 über das Statut der Europäischen Gesellschaft (SE)
- Richtlinie 2001/86/EG des Rates vom 8. Oktober 2001 zur Ergänzung des Statuts der europäischen Gesellschaft hinsichtlich der Beteiligung der Arbeitnehmer
Die Umsetzung in deutsches Recht erfolgte mit dem „Gesetz zur Einführung der europäischen Gesellschaft“ (SEEG) vom 22.12.2004 sowie mit dem „Gesetz über steuerliche Begleitmaßnahmen
zur Einführung der Europäischen Gesellschaft und zur Änderung weiterer steuerrechtlicher Vorschriften“ (SESIEG) vom 07. 12. 2007.
Diese Rechtsform ermöglicht Unternehmen, im gesamten europäischen Wirtschaftsraum als einheitliche Rechtsperson aufzutreten, ohne dass sie Zweigstellen oder Tochtergesellschaften in den einzelnen Mitgliedsstaaten unterhalten müssen. Die SE richtet sich damit in erster Linie an Unternehmer, die grenzüberschreitend tätig sind. Der Sitz und die Hauptverwaltung seiner SE müssen sich innerhalb des Europäischen Wirtschafstraums befinden, lassen sich aber leicht in einen anderen EWR-Staat verlegen (etwa aus wirtschaftlichen Gründen).
Dualistisch oder monistisch
Anders als im deutschen Aktiengesetz (AktG) vorgesehen kann die Führung einer SE nicht nur dualistisch aus Vorstand und Aufsichtsrat zusammengesetzt sein, sondern darf auch monistisch allein aus einem Verwaltungsrat bestehen. Im zweiten Fall führen Direktoren die laufenden Geschäfte. Sie können, müssen aber nicht dem Verwaltungsrat angehören.
Ziel ist es, Kapitalgesellschaften im EWR eine Alternative zu Zweigstellen oder Tochtergesellschaften in mehreren Staaten des Wirtschaftsraums zu bieten. Entsprechend kann die SE ausschließlich von juristischen Personen gegründet werden (durch Fusion bzw. Umwandlung oder als Tochter). Die EU-Verordnung nennt dabei folgende Möglichkeiten:
- Zusammenschluss nationaler Aktiengesellschaften zur SE: Möchten sich zwei oder mehr nationale AGs zu einer SE zusammenschließen, müssen mindestens zwei der Gründungsgesellschaften dem Recht unterschiedlicher Mitgliedsstaaten unterliegen.
- Gründung einer Holding-SE durch nationale AGs oder GmbHs: Möchten sich zwei oder mehr nationale AGs oder GmbHs zu einer Holding-SE zusammenschließen, müssen mindestens zwei der Gründungsgesellschaften dem Recht verschiedener Mitgliedstaten unterliegen oder seit mindestens zwei Jahren eine Tochtergesellschaft oder Zweistelle in einem anderen EU-Mitgliedsstaat unterhalten.
- Gründung einer Tochtergesellschaft durch nationale AGs oder GmbHs: Möchten zwei oder mehr nationale AGs oder GmbHs eine Tochtergesellschaft mit der Rechtsform SE gründen, müssen mindestens zwei der Gründungsgesellschaften dem Recht verschiedener Mitgliedstaten unterliegen oder seit mindestens zwei Jahren eine Tochtergesellschaft oder Zweigstelle in einem anderen EU-Mitgliedsstaat unterhalten.
Umwandlung einer nationalen Aktiengesellschaft zur SE: Eine nationale AG, die eine Umwandung zur SE anstrebt, muss mindestens zwei Jahre eine dem Recht eines anderen EU-Mitgliedsstaats unterliegende Tochtergesellschaft unterhalten.
- Gründung einer Tochter-SE durch eine SE: Prinzipiell kann jede SE eine Tochter-SEs gründen.
Für die Gründung einer SE müssen die beteiligten Gründungsgesellschaften ein Mindestkapital von 120.000 Euro in Bar oder Sacheinlagen aufbringen. Die Haftung der SE ist auf das Aktienkapital beschränkt. Für Verbindlichkeiten der SE haftet wie bei einer normalen AG jeder Aktionär mit dem Nennwert des von ihm gezeichneten Kapitals.
Die Buchführungs- und Publizitätspflichten einer SE entsprechen denen einer AG nach den rechtlichen Vorgaben des EU-Mitgliedsstaats, in dem sich der Sitz der SE befindet.
Die Besteuerung der SE erfolgt unbeschränkt im Land ihres Sitzes. Für Niederlassungen oder Betriebsstätten in anderen EU-Mitgliedsstaaten gelten die jeweiligen Doppelbesteuerungabkommen: In jedem Land, in dem eine SE Betriebsstätten unterhält, muss sie eine separate Gewinnermittlung vorlegen und entsprechende Steuern zahlen. Gewinnausschüttungen an Aktionäre (Dividenden) werden ebenfalls nach den jeweiligen nationalen Bestimmungen besteuert.
Die Europäische Gesellschaft (Societas Europaea, SE) im Überblick
Geschäftsführung | Je nach Leitungsstruktur Vorstand/Aufsichtsrat oder Verwaltungsrat. |
Haftung | Haftung auf das Gesellschaftsvermögen beschränkt. |
Steuern | Unbeschränkte Besteuerung im Sitzstaat. Beschränkte Besteuerung für grenzüberschreitende Geschäftstätigkeit. Es gelten die steuerrechtlichen Bestimmungen der betreffenden EU-Mitgliedstaaten. |
Mindestkapital | Gesetzliches Mindestkapital: 120.000 Euro |
Buchführung | Buchführungspflicht gemäß den Richtlinien des Sitzstaats. |
Eintrag ins Handelsregister | Der Handelsregistereintrag erfolgt in dem EU-Mitgliedsstaat, in dem die SE ihren Sitz hat. |
Unternehmensbezeichnung | Eigenname, Sachbezeichnung, Fantasiebegriff oder Mischform inklusive Rechtsformzusatz „SE“. Beispiel: IONOS Internet SE |