Stundung: Wann Sie einen Zahlungsaufschub vereinbaren können

Stellen Sie sich folgende Situation vor: Zwei wichtige Großkunden sind Ihrem Unternehmen weggebrochen. Damit stehen Sie vor einem Liquiditätsengpass. Ein Lieferant leistet nicht wie vereinbart, Ihre Produktion gerät ins Stocken und Sie müssen massive Einnahmenverluste hinnehmen. Es gibt diverse Gründe, warum Unternehmen oder Privatpersonen kurzfristig nicht in der Lage sind, laufende Zahlungsverpflichtungen zu bedienen. In diesen Fällen kann es helfen, eine Stundung mit den Gläubigern zu vereinbaren, um sich vor den negativen Folgen eines Zahlungsverzugs zu schützen.

Was ist eine Stundung?

Bei einer Stundung muss der Schuldner die fällige Zahlung zum neuen Fälligkeitstermin meist vollständig und nicht nur anteilig erbringen, inklusive Zinsen.

Eine Stundung können Schuldner sowohl für Zahlungsverpflichtungen im Öffentlichen Recht als auch im Zivilrecht vereinbaren. Die Verpflichtungen können gegenüber staatlichen Institutionen oder zivilrechtlichen Gläubigern bestehen – in beiden Fällen darf die Stundung jedoch nicht einseitig erklärt werden, sondern muss in beiderseitigem Einvernehmen zwischen Gläubiger und Schuldner beschlossen werden.

Der Gläubiger ist nicht verpflichtet, sich auf eine Stundung einzulassen. Es ist ein freiwilliges Entgegenkommen. In den meisten Fällen ist der Zahlungsaufschub für ihn jedoch die bessere Alternative, als den Schuldner in Verzug kommen zu lassen.

Vorteile der Stundung für den Gläubiger

  • Er muss keine Pfändungen beauftragen und erhöht die Chance, seinen Anspruch zu einem späteren Zeitpunkt ganz oder zu großen Teilen durchzusetzen.
  • Sowohl im Zivilrecht als auch im Öffentlichen Recht kann der Gläubiger Stundungszinsen erheben.
  • Die Stundung stoppt die Verjährungsfrist des Anspruchs. Sie setzt erst nach Ablauf der Stundung wieder ein, sodass die Stundung auch in dieser Hinsicht der Anspruchssicherung dient.

Bei der Stundungsvereinbarung handelt es sich rechtlich um einen Schuldänderungsvertrag nach § 311 BGB, d. h. an den Modalitäten des zugrundeliegenden Vertrags ändert sich nichts; lediglich die Zahlungsfälligkeit wird geändert. Obwohl rechtlich keine bestimmte Form für die Stundungsvereinbarung vorgeschrieben ist, wird sie aus Beweisgründen in der Regel schriftlich dokumentiert.

Grundsätzlich kann sich eine Stundung auf Verpflichtungen zur Leistung von Sach- oder Geldwerten beziehen. In der Praxis wird das Verfahren jedoch meist bei Zahlungsverpflichtungen angewendet.

Definition: Stundung

Eine Stundung ist per Definition eine Form des Zahlungsaufschubs, bei der Schuldner und Gläubiger vereinbaren, die Fälligkeit einer Forderung über den ursprünglich vereinbarten oder per Gesetz vorgegebenen Termin hinauszuzögern.

Voraussetzungen für eine Stundung

Im zivilrechtlichen Kontext werden einem Schuldner dann Stundungen gewährt, wenn er seinem Gläubiger plausibel darlegen kann, warum er zu einem konkreten Termin in absehbarer Zukunft seine Schulden nicht wird begleichen können.

Unternehmen, die ihre Kredite nicht bezahlen können, aber nachweisen, dass sie kurz vor der Markteinführung eines neuen Produkts stehen, das nach ihrem Finanzplan den Liquiditätsengpass beheben wird, haben gute Chancen, dass ihnen eine Stundung ihrer Kreditraten gewährt wird. Unternehmen, deren Produktion aufgrund von Naturkatastrophen oder Zuliefererkonkurs vorübergehend ins Stocken geraten ist, die aber ansonsten einen gesunden Cashflow nachweisen können, werden bei Gläubigern mit der Bitte um Stundung ebenfalls auf offene Ohren treffen.

Anders sieht es bei Unternehmen aus, die seit Längerem finanziell kranken und eine Stundung anfragen, ohne mit solider Planung untermauern zu können, warum sich ihre wirtschaftliche Situation beispielsweise in einem Jahr geändert haben wird.

Rechtsansprüche auf Stundung

Eine plausible Begründung für die Stundung bzw. die spätere Zahlungsfähigkeit müssen Schuldner auch im Öffentlichen Recht abgeben. Wieder liegt es am Gläubiger, sich auf die Bitte einzulassen. In einigen Gesetzen im Öffentlichen Recht haben Schuldner einen Rechtsanspruch auf Stundung, wenn sie belegen können, dass eine sofortige Zahlung eine erhebliche Härte für sie darstellen würde.

Steuerschulden

Das Finanzamt kann nach formlosem Antrag eine Stundung von Steuerschulden gewähren, wenn der Steueranspruch dadurch nicht gefärdet ist. Die Abgabenordnung § 222 AO sieht zudem vor, dass der Schuldner eine Sicherheitsleistung erbringen muss.

Bei der Bewertung, ob ohne Stundung eine erhebliche Härte für den Steuerschuldner entstehen würde, berücksichtigt das Finanzamt unter anderem, ob der Schuldner seine Zahlungsschwierigkeiten anderweitig – durch Kreditaufnahme oder Verkauf von Vermögenswerten – lösen kann, die Steuerzahlung ihn wirklich in erhebliche finanzielle Schwierigkeiten bringt und seine Verhältnisse ungünstiger liegen als bei anderen Steuerpflichtigen. Es ist Pflicht des Steuerschuldners, die „erhebliche Härte“ mit geeigneten Belegen über seine finanzielle Situation nachzuweisen.

Gewährt das Finanzamt eine Stundung, muss der Steuerschuldner mit einer Verzinsung seiner Steuerlast rechnen.

Zugewinn-Ausgleichszahlungen

Das Familiengericht kann Ausgleichsforderungen stunden, wenn eine sofortige Zahlung die Wohn- und Lebensverhältnisse der Kinder getrenntlebender Elternteile verschlechtern würde (siehe § 1382).

Erbschaften

Bei Erbschaften kann ein Erbe die Stundung seines Pflichtteils beantragen, wenn die sofortige Erfüllung der Forderung ihn hart treffen würde (siehe § 2331a).

Corona-Krise: Stundung von Steuerzahlungen

Das Bundesfinanzministerium hat in Abstimmung mit den obersten Landesfinanzbehörden beschlossen, dass Unternehmen in Deutschland vereinfachte Anträge auf zinsfreie Steuerstundung bei ihrem Finanzamt stellen können, wenn sie infolge der Corona-Pandemie um ihre wirtschaftliche Existenz kämpfen (siehe BMF-Schreiben). Damit soll die Liquidität der Unternehmen verbessert und der wirtschaftliche Schaden der Krise minimiert werden.

Wer kann einen Antrag stellen?

Einen Antrag auf Steuerstundung aufgrund der Corona-Pandemie können alle steuerpflichtigen Unternehmer in Deutschland stellen. Im Antrag müssen Sie darlegen, dass Sie „in nicht unerheblichem Ausmaß und unmittelbar“ von der Krise betroffen sind. Die Höhe des finanziellen Schadens müssen Sie nicht abschätzen können. Das Bundesfinanzministerium hat angewiesen, dass an die Bewilligung keine strengen Anforderungen gestellt werden sollen.

Bis wann muss der Antrag gestellt werden?

Der Antrag muss bis zum 31.12.2020 gestellt werden – und zwar für sämtliche Zahlungen, die bis zu diesem Termin fällig sein werden oder bereits jetzt fällig sind.

Für welche Steuern kann eine Stundung beantragt werden?

Während eine Stundung normalerweise nur für die Einkommensteuer möglich ist, können Unternehmen während der Corona-Krise auch eine Stundung für andere Steuern beantragen.

  • Umsatzsteuer: Werden in der nächsten Zeit Umsatzsteuervorauszahlungen für Sie fällig, können Sie eine Herabsetzung der Zahlungen oder eine Stundung beantragen.
     
  • Einkommensteuer: Ist Ihr Geschäft aufgrund der Corona-Pandemie eingebrochen, können Sie bis zum 31.10.2020 eine Stundung der Einkommensteuer für 2020 beantragen oder eine Herabsetzung der Steuer verlangen. Gleiches gilt für die Einkommensteuervorauszahlungen.
     
  • Körperschaftsteuer: Für die Zahlung der Körperschaftsteuer 2020 gelten dieselben Regeln wie für die Einkommensteuer. Sowohl eine Stundung als auch eine Herabsetzung der zu zahlenden Steuern ist möglich, wenn Sie den Antrag bis zum 31.10.2020 stellen und plausibel darlegen, dass sich Ihr Unternehmen aufgrund der Corona-Pandemie in finanziellen Schwierigkeiten befindet.

Die zinslose Stundung gilt zunächst für drei Monate.

Eine Stundung der Lohnsteuer ist aktuell nicht vorgesehen, da die Arbeitnehmergehälter im Normalfall weitergezahlt werden. Eine finale Entscheidung der Politik hierzu steht noch aus. Falls Sie eine solche Stundung benötigen, müssen Sie sich individuell mit Ihrem Finanzamt in Verbindung setzen.

Hinweis

Auch Anträge auf Aussetzung von Vollstreckungsmaßnahmen für überfällige Steuerschulden können Unternehmen vereinfacht stellen, wenn Sie aufgrund der Corona-Krise in Leistungsschwierigkeiten geraten sind.

Wie müssen Unternehmer vorgehen, um die Steuerstundung zu beantragen?

Unternehmer, die die steuerlichen Entlastungen im Zuge der Corona-Krise nutzen wollen, haben zwei einfache Möglichkeiten, einen Antrag bei ihrem zuständigen Finanzamt einzureichen.

  • Per E-Mail: Schicken Sie eine formlose Mail. Hierbei sollten Sie bereits im Betreff die Corona-Krise erwähnen. Schreiben Sie, welche Steuer Sie stunden lassen wollen und ab wann. Erläutern Sie kurz, warum dies aufgrund der Corona-Pandemie in Ihrem konkreten Fall notwendig ist. Geben Sie auch Ihre Steuernummer an.
     
  • Per Onlineformular: Viele Finanzämter stellen auf ihren Websites ein Antragsformular für die Steuerstundung in der Corona-Krise zur Verfügung, das direkt online ausgefüllt und abgeschickt werden kann.

Die Bearbeitung der Anträge soll unbürokratisch und schnell erfolgen. Da die Zahl der bisher eingegangenen Anträge allerdings hoch ist, ist mit einiger Wartezeit bis zum Entscheid zu rechnen. Die Mitteilung erhalten Sie per Post.

Bei Unsicherheiten bezüglich der Antragstellung holen Sie Rat von Ihrem Steuerberater ein.

Hinweis

Die vereinfachten Regelungen zur Steuerstundung sind Teil eines Milliarden-Hilfsprogramms, das der Bund aufgrund der Corona-Pandemie für Unternehmen, Freiberufler und Solo-Selbstständige gestartet hat. Ausführliche Informationen zum Hilfsprogramm finden Sie auf der Seite des Bundesfinanzministeriums.

Welche Arten von Stundung sind zu unterscheiden?

In der Regel ist eine vereinbarte und befristete Stundung gemeint, wenn von Stundung die Rede ist. Hierbei wird der Zahlungsaufschub ausdrücklich zwischen Schuldner und Gläubiger vereinbart und ein neues Zahlungsziel festgelegt. Bei einer vereinbarten unbefristeten Stundung wird dagegen kein neuer Zahlungstermin vereinbart. Der Gläubiger kann diesen nach billigem Ermessen einseitig bestimmen.

Daneben existiert die konkludente oder stillschweigende Stundung. Diese tritt dann ein, wenn der Gläubiger auf Mahnung verzichtet, obwohl der Schuldner den vereinbarten Zahlungstermin überschritten und bereits in Verzug geraten ist.

Stundungen können eine auflösende Bedingung (§ 158 BGB) enthalten. Es ist im Interesse des Schuldners, eine solche in eine Stundungsvereinbarung aufzunehmen. Denn damit ist es ihm möglich, die Vereinbarung vorzeitig zu erfüllen bzw. seine Zahlung vor dem neuen Zahlungstermin zu begleichen, wenn seine wirtschaftliche Situation sich zwischenzeitlich wieder gebessert hat.

Alternative zur Stundung: Nachträgliche Ratenzahlung

Wenn ein gewerblicher oder privater Schuldner eine Zahlung nicht leisten kann, hat er die Möglichkeit, statt einer Stundung nachträglich eine Ratenzahlung mit dem Gläubiger zu vereinbaren.

Die Regelungen für die Stundung gelten analog für die Ratenzahlung, d. h. einen Anspruch darauf hat der Schuldner nicht. Vielmehr handelt es sich um ein freiwilliges Entgegenkommen des Gläubigers. Außerdem muss der Schuldner auch in diesem Fall mit Zinsen rechnen.

Um die Vertragsänderung später beweisen zu können, empfiehlt es sich unbedingt, die nachträgliche Ratenzahlungsvereinbarung in Schriftform festzuhalten und sie vom Gläubiger unterschreiben zu lassen.

Bitte beachten Sie den rechtlichen Hinweis zu diesem Artikel.