WCAG – Richtlinien des W3C für gut zugängliche Webinhalte

Das World Wide Web ist nicht für alle Menschen gleichermaßen leicht zugänglich. Insbesondere Menschen mit Behinderung sind oft auf eine spezielle Aufbereitung des Webangebots angewiesen, um Inhalte wahrnehmen und erfassen zu können. So erfordern sensorischen Einschränkungen beispielsweise Darstellungsformen wie eine Vorlesefunktion, Untertitel, Audiodeskriptionen oder die Ausgabe von Inhalten in Blindenschrift über ein Braille-Display. Webangebote, die entsprechend aufbereitet wurden, ermöglichen Personen, die auf eine solche Darstellung angewiesen sind, an einem der größten Projekte der Menschheit teilzuhaben: dem Internet. Man spricht in diesem Zusammenhang von Barrierefreiheit.

Ab wann eine Webanwendung als barrierefreie gilt, hängt davon ab, welchen Maßstab man ansetzt. Wichtigster internationaler Standard für die Bewertung von Webangeboten hinsichtlich ihrer Barrierefreiheit sind die WCAG, die unter anderem die Grundlage für die deutsche Gesetzgebung zur barrierefreien Webgestaltung darstellen. Im Folgenden geben wir Ihnen einen Überblick über den Richtlinienkatalog und erläutern das standardisierte Vorgehen zur Evaluation von Webangeboten gemäß WCAG.

Was sind die WCAG?

In den Web Content Accessibility Guidelines (WCAG) – auf Deutsch: „Richtlinien für barrierefreie Webinhalte“ – definiert die Web Accessibility Initiative (WAI) des World Wide Web Consortiums (W3C) Empfehlungen zur Zugänglichkeit von Webangeboten. Die Guidelines stellen heraus, wie sich Angebote im Netz so gestalten lassen, dass sie allen Internetnutzern zugänglich sind – ungeachtet ihrer körperlichen, geistigen oder technischen Möglichkeiten. Aktuell liegen die WCAG-Richtlinien in der im Dezember 2008 veröffentlichten Version 2. 0 vor. Die WCAG 2.0 ersetzen den Vorgängerstandard WCAG 1.0.

Fakt:

Das World Wide Web Consortiums ist ein internationales Standardisierungsgremium für Webtechniken wie HTML, XHTML, XML, RDF, OWL, CSS, SVG und WCAG. Gründer und Vorsitzender der Mitgliederorganisation ist Tim Berners-Lee, ein britischer Informatiker, der als Erfinder des World Wide Webs gilt.

Unterschiede zwischen WCAG 1.0 und WCAG 2.0

Ziel des W3C ist es, Webseitenbetreibern mit den WCAG einen internationalen Standard für Barrierefreiheit im Bereich der Webgestaltung zur Verfügung zu stellen, der sowohl den Bedürfnissen von Einzelpersonen als auch von Organisationen und Regierungseinrichtungen gerecht wird.

Im Vergleich zum Vorgängerstandard zeichnen sich die WCAG 2.0 durch einen technologieunabhängigen Ansatz aus. Die Guidelines sind so formuliert, dass sie sowohl dem derzeitigen Stand der Technik als auch künftigen technischen Entwicklungen gerecht werden.

Ein wesentlicher Unterschied zwischen den WCAG 1.0 und WCAG 2.0 ist die Struktur des Kriterienkatalogs:

  • Struktur der WCAG 1.0: Die Web Content Accessibility Guidelines Version 1.0 sind in 14 Richtlinien eingeteilt, die jeweils 1 bis 10 Prüfpunkte der Prioritäten 1, 2 und 3 beinhalten. Jedem Prüfpunkt ist ein Beispiel zugeordnet, das sich auf die grundlegenden Webstandards HTML und XML bezieht.
  • Struktur der WCAG 2.0: Die Web Content Accessibility Guidelines Version 2.0 bieten ein System, in dem die Richtlinien barrierefreier Webgestaltung den 4 grundlegenden Design-Prinzipien Wahrnehmbarkeit, Bedienbarkeit, Verständlichkeit und Robustheit untergeordnet sind. Für jede Richtlinie stellen die WCAG 2.0 Webseitenbetreibern einen Satz nachprüfbarer Erfolgskriterien der Konformitätsstufen A, AA und AAA zur Verfügung (siehe unten). Beispiele finden Webseitenbetreiber im aktuellen Standard nicht. Detaillierte Beschreibungen und Hinweise zur technischen Umsetzung wurden auf die Informationsseiten Understanding WCAG 2.0 (nur englisch) und Techniques for WCAG 2.0 (nur englisch) ausgelagert und mit dem jeweiligen Erfolgskriterium verlinkt.

Trotz dieser Unterschiede in Bezug auf die Organisation der Anforderungen und Gestaltungskriterien bleibt WCAG 2.0 abwärtskompatibel. Eine Website kann somit die Voraussetzungen beider Standards erfüllen. Die Überführung einer Website von WCAG 1.0 zu WCAG 2.0 ist dem WC3 zufolge nur mit geringen Anpassungen verbunden. Im Folgenden ist mit WCAG stets der Richtlinienkatalog gemäß Version 2.0 gemeint.

Konformität

Erfüllt eine Website die Vorgaben der WCAG, spricht man von Konformität. Dabei ist zu beachten, dass eine WCAG-konforme Website nicht alle Erfolgskriterien des Standards berücksichtigen muss. Stattdessen unterscheidet das W3C insgesamt 3 Stufen der Konformität: A, AA, und AAA. Diese geben Aufschluss darüber, wie gut eine Website an die Bedürfnisse von Internetnutzern mit Einschränkungen angepasst ist.

Die Konformitätsstufen des WCAG 2.0

A

Eine Website entspricht der Konformitätsstufe A, wenn alle Erfolgskriterien der Stufe A erfüllt sind oder eine alternative Version der Website zur Verfügung steht, die die entsprechenden Kriterien erfüllt.

niedriges Zugänglichkeitsniveau

AA

Eine Website entspricht der Konformitätsstufe AA, wenn alle Erfolgskriterien der Stufen A und AA erfüllt sind oder eine alternative Version der Website zur Verfügung steht, die die entsprechenden Kriterien erfüllt.

mittleres Zugänglichkeitsniveau

AAA

Eine Website entspricht der Konformitätsstufe AAA, wenn alle Erfolgskriterien der Stufen A, AA und AAA erfüllt sind oder eine alternative Version der Website zur Verfügung steht, die die entsprechenden Kriterien erfüllt.

hohes Zugänglichkeitsniveau

Dabei gilt: Das Merkmal „Konformität“ bezieht sich immer auf eine einzelne Webpage (ein einzelnes HTML-Dokument, dass unter einer eigenen URL zur Verfügung steht) und kann immer nur für ganze Webpages erworben werden. Erfüllen einzelne Bereiche einer Webpage die angestrebte Konformitätsstufe nicht, wird sie auch der Webpage im Gesamten nicht zugesprochen. Ist die Webpage Teil eines Klickpfads über mehrere Webpages hinweg, der es ermöglicht, eine bestimmte Aktion auszuführen, dann müssen alle Webpages des Klickpfads die angestrebte Konformitätsstufe oder eine höhere aufweisen. Erfüllt nur eine Webpage die Anforderungen nicht, wird die angestrebte Konformitätsstufe auch den anderen Webpages des Klickpfads abgesprochen. Dazu ein Beispiel:

Ein Onlineshop möchte seinen Bestellprozess so gestalten, dass dieser der WCAG-Kompatibilitätsstufe AA entspricht. Voraussetzung dafür ist, dass alle einzelnen Webpages, die im Rahmen der Bestellung aufgerufen werden, um Warenkörbe zu erstellen, Kundendaten zu erfassen oder Bezahlinformationen zu übermitteln, ebenfalls mindestens der Konformitätsstufe AA entsprechen.

Anders als WCAG 1.0 bietet WCAG 2.0 die Möglichkeit, einzelne Aspekte der barrierefreien Webgestaltung auf unterschiedlichen Konformitätsstufen zu realisieren. Für den Aspekt Farbkontrast beispielsweise wurden im aktuellen Standard zwei Erfolgskriterien und unterschiedliche Konformitätsstufen definiert:

1.4.3 Contrast (Minimum): The visual presentation of text and images of text has a contrast ratio of at least 4.5:1, except for the following: (Level AA) […]

1.4.6 Contrast (Enhanced): The visual presentation of text and images of text has a contrast ratio of at least 7:1, except for the following: (Level AAA) […]

Optional haben Webseitenbetreiber die Möglichkeit, für alle Webpages, die die Erfolgskriterien der WCAG erfüllen, eine Konformitätserklärung abzugeben. Diese wird freiwillig erstellt und wirkt sich in keiner Weise auf die Zugänglichkeit der Website aus. Entscheidet sich ein Webseitenbetreiber jedoch dafür, eine Konformitätserklärung abzugeben, muss diese dem W3C zufolge folgende Pflichtangabe enthalten:

  • Datum der Konformitätserklärung
  • Angabe dazu, auf welche WCAG sich die Konformitätserklärung bezieht, inklusive Titel, Version und Link zum Standard
  • Angabe, welche Konformitätsstufe erfüllt wird (Stufe A, AA oder AAA)
  • Präzise Beschreibung, auf welche Webpages der Domain sich die Konformitätserklärung bezieht (beispielsweise eine Liste aller URLs)
  • Eine Liste aller essenziellen Webtechniken, die auf den WCAG-konformen Webpages zum Einsatz kommen und sich auf deren Konformität auswirken

Darüber hinaus können Webseitenbetreiber die Konformitätserklärung optional um folgende Angaben erweitern.

  • Eine Liste aller erfüllten Erfolgskriterien, die über die ausgewiesene Konformitätsstufe hinausgehen
  • Eine Liste aller Webtechniken, die auf der Website zum Einsatz kommen, sich aber nicht auf die Konformität der Website auswirken
  • Eine Liste aller User-Agents, mit denen die Website getestete wurde
  • Eine maschinenlesbare Version der Liste aller essenziellen Webtechniken, die auf den WCAG-konformen Webpages zum Einsatz kommen.
  • Eine maschinenlesbare Version der Konformitätserklärung
  • Eine Liste weiterer Maßnahmen einer barrierefreien Webgestaltung, die nicht mit den WCAG in Verbindung stehen
Hinweis:

Eine absolute Barrierefreiheit, die allen Ansprüchen und Einschränkungen von Internet-Nutzern mit Behinderung gerecht wird, lässt sich in der Praxis nicht umsetzen. Eine Website kann auch dann noch ein Hindernis darstellen, wenn diese die Vorgaben der höchsten Konformitätsstufe (AAA) erfüllt – insbesondere bei kognitiven Einschränkungen, Sprach- und Lernbehinderungen sowie Mehrfachbehinderung. Das W3C empfiehlt Webseitenbetreibern dennoch, so viele Erfolgskriterien wie möglich umzusetzen, damit eine größtmögliche Gruppe von Menschen am Internet teilhaben kann.

Richtlinien der WCAG im Überblick

Die Web Content Accessibility Guidelines bestehen aus zwölf Richtlinien, die vier grundlegenden Prinzipien untergeordnet sind. Während die WCAG-Prinzipien die Basis für eine barrierefreie Webnutzung definieren, geben die Richtlinien Webentwicklern, Autoren und Designern klare Anweisungen an die Hand, die bei der Erstellung barrierefreier Inhalte berücksichtigt werden sollten. Die autorisierte deutsche Übersetzung des Gesamttextes der WCAG 2.0 können Sie hier nachlesen. Wir bieten Ihnen im Folgenden jedoch eine kurze Zusammenfassung.

Den WCAG-Prinzipien zufolge zeichnet sich die Barrierefreiheit im Web durch eine optimale Wahrnehmbarkeit, Bedienbarkeit, Verständlichkeit und Robustheit von Webinhalten aus. Umsetzen lassen sich diese Prinzipien folgendermaßen:

  1. Wahrnehmbarkeit: Für eine optimale Web-Usability sollten Sie Inhalte so präsentieren, dass sie für alle Internetnutzer wahrnehmbar sind. Die WCAG-Richtlinien, um die Wahrnehmbarkeit von Web-Content zu verbessern, lauten:

    1.1   Textalternativen: Eine textbasierte Alternativdarstellung ermöglicht es, Nicht-Text-Inhalte in andere Darstellungsformen wie Großschrift, Braille, Symbole oder einfachere Sprache zu übertragen.

    Die Richtlinie zu Textalternativen schreibt lediglich vor, dass für alle Nicht-Text-Inhalte wie Videos, Bilder oder Grafiken einer Website alternative Beschreibungen auf Textbasis oder Untertitel zur Verfügung stehen sollten. Es gelten folgende Ausnahmen:

    • Wenn es sich bei einem Nicht-Text-Inhalt um ein Steuerelement, ein zeitbasiertes Medium, einen Test oder um ein sensorischen Element handelt, das einer bestimmten Sinneserfahrung dient, sollte ein deskriptiver Alternativtext zur Verfügung stehen, der zumindest die Identifikation des Nicht-Text-Inhalts ermöglicht.
    • Für bild- oder ton-basierte CAPTCHAs muss ein Alternativ-Text bereitstehen, der die Funktion des Nicht-Text-Inhalts beschreibt. Es sollten alternative Formen des CAPTCHAs mit unterschiedlichen Ausgabeformen angeboten werden.
    • Reine Dekorationselemente werden nicht mit Alternativtexten versehen und sollten so implementiert sein, dass diese von Assistenzgeräten wie Screenreadern ignoriert werden.

    Das Erfolgskriterium entspricht der Konformitätsstufe A.

    1.2   Multimedia-Inhalte: Die Website stellt alternative Darstellungsformen für zeitbasierte Medien (z.B. Audio- und Videoinhalte) bereit.

    Die Richtlinie zu alternativen Darstellungsformen für zeitbasierte Medien umfasst Regelungen zu Medienalternativen für Audiospuren und Videos sowie für synchronisierte Medieninhalte, bei denen die gleichzeitige Wahrnehmung von Bild und Ton mit anderen Darstellungsformen für die Erfassung von Webseiteninhalten unerlässlich ist. Als Medienalternativen stehen je nach angestrebter Konformitätsstufe beschreibende Begleittexte, Audiodeskriptionen, Untertitel, Transkriptionen und Gebärdensprache zur Auswahl. Die Richtlinie umfasst 9 Erfolgskriterien der Konformitätsstufen A, AA und AAA

    1.3   Anpassbarkeit: Die Inhalte der Website lassen sich verlustfrei in alternative Darstellungsformen überführen (einfaches Layout)

    Die Richtlinie zur Anpassbarkeit umfasst Regeln zu alternativen Darstellungen für Informationen, die sich aus der Struktur der Webseiteninhalte, aus der Leseabfolge oder aufgrund sensorischer Eigenschaften wie Form, Größe, Position und Ausrichtung ergeben. Ziel ist es, diese Informationen durch Medienalternativen wie Beschreibungen in Textform oder eine softwareseitige Aufbereitung für Assistenzsysteme auch Menschen mit Beeinträchtigung zugänglich zu machen. Die Richtlinie umfasst 3 Erfolgskriterien der Konformitätsstufe A

    1.4   Unterscheidbarkeit: Inhalte werden so erstellt, dass sie sich optisch und akustisch deutlich von anderen Inhalten unterscheiden (Farbe, Schriftgröße, Kontrast, dezenter Hintergrund

    Die Richtlinie zur Unterscheidbarkeit umfasst Regelungen zur visuellen Darstellung von Webseiteninhalten. Vorgaben beziehen sich auf die Farbgestaltung, das Kontrastverhältnis von Text- und Bildelementen zum Hintergrund, die Textgröße und -skalierbarkeit sowie das Layout von Textblöcken. Darüber hinaus werden Zusatzanforderungen für Webseiten definiert, die mit Audioinhalten im Hintergrund arbeiten. Die Richtlinie umfasst 9 Erfolgskriterien der Konformitätsstufen A, AA und AAA.

  2. Bedienbarkeit: Bei barrierefreien Webinhalten sollte die Benutzerschnittstelle so gestaltet sein, dass es allen Internetnutzern möglich ist, zu den gewünschten Informationen zu gelangen. Die Bedienbarkeit von Webangeboten lässt sich anhand folgender Richtlinien optimieren.

    2.1   Zugänglichkeit via Tastatur: Für eine bestmögliche Web-Usability sind alle Inhalte und Funktionalitäten per Tastatur zugänglich.

    Die Richtlinie zur Zugänglichkeit via Tastatur definiert die Tastatur als primäre Benutzerschnittstellen. Weite Bedienmöglichkeiten wie die Steuerung via Maus, Trackball oder Touchpad sind lediglich optional. Tastaturfallen sind zu vermeiden. Als Tastaturfalle bezeichnet man dabei solche Webseitenbereiche, die via Tastatur erreichbar sind, jedoch nicht allein mit Tastatureingaben (beispielsweise ESC) verlassen werden können. Lassen sich Tastaturfallen (beispielsweise in Form eines eingebetteter Flash-Videos) nur durch besondere, nicht geläufige Tastenkombinationen überwinden, müssen Benutzer auf diese Möglichkeit hingewiesen werden. Die Richtlinie umfasst 3 Erfolgskriterien der Konformitätsstufen A und AAA

    2.2   Kein Zeitdruck: Benutzern wird bei der Interaktion mit Webinhalten genügend Zeit eingeräumt, diese zu lesen und zu benutzen.

    Menschen mit Beeinträchtigungen benötigen oft mehr Zeit, um Webseiteninhalte zu erfassen oder Aktionen wie Eingaben auszuführen. Die Richtlinie zu zeitbasierten Inhalten stellt sicher, dass auch diese Benutzer mit der Website interagieren können, ohne dass sich der Webseiteninhalt unerwartet ändert. Vorgaben im Rahmen dieser Richtlinie umfassen Mechanismen, die eine individuelle Zeiteinteilung ermöglichen, indem sich automatische Aktualisierungen oder zeitliche Begrenzungen abschalten, anpassen oder pausieren lassen. Die Richtlinie umfasst 5 Erfolgskriterien der Konformitätsstufen A und AAA.

    2.3  
    Anfall-Risiken minimieren: Alle Webinhalte sind so gestaltet, dass ein etwaiges Risiko für Anfälle aufgrund visueller Reize minimiert wird.

    Die Richtlinie zu Anfall-Risiken definiert Grenzwerte für visuelle Reize, die zu Anfällen führen können. Es werden 2 Erfolgskriterien der Konformitätsstufen A und AAA vorgegeben.

    2.4  
    Navigation: Die Webseite stellt Nutzern Mittel zur Seite, die eine mühelose Navigation ermöglichen.

    Die Richtlinie zur Navigation umfasst Erfolgskriterien, die Menschen mit Beeinträchtigung ermöglichen sollen, die eigene Position innerhalb der Website zu identifizieren, Inhalte zu finden oder Inhaltsblöcke, die sich auf verschiedenen Webseiten einer Domain wiederholen, zu überspringen. Die Vorgaben zur barrierefreien Navigation beziehen sich auf Meta-Titels und Descriptions, Linktexte, Zugangsmöglichkeiten zu Webseiten, Überschriften und Beschriftungen für Textabschnitte sowie den Tastaturfokus. Die Richtlinie zur Navigation umfasst 10 Erfolgskriterien der Konformitätsstufen A und AA.

  3. Verständlichkeit: Webinhalte sollten so gestaltet werden, dass die dort enthaltenen Informationen verständlich sind und die Bedienung nachvollziehbar ist. Eine optimale Verständlichkeit erzielen Webentwickler und Autoren gemäß der folgenden Richtlinien.

    3.1   Lesbarkeit: Eine optimale Zugänglichkeit von Webangeboten setzt lesbare und verständliche Inhalte voraus.

    Die Richtlinie zur Lesbarkeit umfasst Regelungen, die vorgeben, auf welche Art und Weise sprachliche Elemente ausgezeichnet und mit zusätzlichen Informationen angereichert werden müssen, um eine optimale Zugänglichkeit der Inhalte zu gewährleisten. Die Erfolgskriterien definieren Vorgaben zur Sprachversion, zu ungewöhnlichen Wörtern, Abkürzungen und Mehrdeutigkeiten sowie zum Leseniveau. Zur Lesbarkeit geben die WCAG insgesamt 6 Kriterien der Konformitätsstufen A, AA und AAA vor.

    3.2   Vorhersehbarkeit: Das Verhalten funktionaler und interaktiver Webseitenelemente bleibt stets vorhersagbar.

    Um eine gute Verständlichkeit zu gewährleiten, sollten Webseiten vorhersehbar sein. Die Richtlinie zur Vorhersehbarkeit definiert diesbezüglich Vorgaben zur Fokussierung von Webseitenelemente, zur automatischen Aktualisierung von Inhalten sowie zu Navigatoren. Die vorgeschlagenen Erfolgskriterien umfassen die Konformitätsstufen A, AA und AAA

    3.3   Eingabehilfen: Gut zugängliche Webseiten helfen Besuchern, Fehler zu vermeiden, in dem diese durch Eingabehilfen automatisch korrigiert werden.

    Die Richtlinie zu Eingabehilfen umfasst Vorgaben zur automatischen Fehlererkennung, zu Hilfetexten und zur Beschriftung von Eingabefeldern sowie zu Eingabemechanismen für rechtlich relevante Daten oder finanzielle Transaktionen. Webseitenbetreibern stehen 6 Erfolgskriterien der Konformitätsstufen A, AA und AAA zur Verfügung.

  4. Robustheit: Das WCAG-Prinzip Robustheit bezieht sich auf die Kompatibilität von Webinhalten. Um eine gute Zugänglichkeit sicherzustellen, sollten diese so aufbereitet sein, dass sie zuverlässig von der Mehrheit der genutzten User-Agents (Webbrowser, assistierende Ausgabegeräte u. ä.) verarbeitet werden können. Entsprechende Vorgaben finden Webseitenbetreiber in der Richtlinie zur Kompatibilität:

    4.1   Kompatibilität: Die Kompatibilität mit aktuellen und zukünftigen Techniken wird durch eine konsequente Anwendung spezifizierter Webstandards sichergestellt.

    Eine barrierefreie Website lässt sich optimal parsen. Grundvoraussetzung dafür ist, dass die Implementierung von Inhalten mithilfe von Auszeichnungssprachen wie HTML gemäß der jeweiligen Spezifikation vollständig und fehlerfrei erfolgt. Dies beinhaltet eine lückenlöse Auszeichnung aller Bestandteile der Benutzerschnittstelle (wie Links, Formulare oder durch Skripte generierte Komponenten), sodass sich deren Art und Funktion softwareseitig auslesen lässt. Die Richtlinie zur Kompatibilität umfasst 2 Erfolgskriterien der Konformitätsstufe A.

WCAG-Checkliste

Der W3C-Working Draft (die Arbeitsversion der WCAG 2.0) vom 27 April 2006 enthielt im Appendix eine Checkliste, die alle vom W3C definierten Erfolgskriterien beinhaltete. Sie diente vielen Webseitenbetreibern als Kurzübersicht. Seit der Veröffentlichung der offiziellen W3C Recommendation (Empfehlung) am 11. Dezember 2008 ist diese Checkliste veraltet.

An die Stelle der ursprünglichen Checkliste ist eine individuell anpassbare Schnellreferenz getreten. Diese ermöglicht es Webseitenbetreibern, den Kriterienkatalog zu barrierefreien Webgestaltung mithilfe einer Filterfunktion auf die eigenen Bedürfnisse (nämlich angesichts ihrer technischen Voraussetzungen und der angestrebten Konformitätsstufe) zuzuschneiden und so benutzerdefinierte Checklisten zu erstellen.

WCAG-Tests

Bei den Vorgaben der WCAG handelt es sich um testbare Erfolgskriterien, anhand derer Webseitenbetreiber den Konformitätsgrad einzelner Webpage nach dem Standard des WAI beurteilen können. Für Webseitenbetreiber, die nicht nur einzelne Webpages, sondern die Barrierefreiheit des gesamten Webauftritt prüfen möchten, hat das WAI bisher 4 Strategien entwickelt: Easy Checks, WCAG-EM, nutzergestützte Evaluation und Evaluierungstools.

Easy Checks

Unter Easy Checks führt die WAI grundlegende Aspekte einer barrierefreien Webgestaltung auf. Die Liste soll Webseitenbetreibern ermöglichen, sich einen schnellen Überblick über den Status ihres Onlineprojekts zu verschaffen. Im Rahmen der Easy Checks werden folgende Kriterien unter die Lupe genommen:

  • Meta-Titels
  • Alt-Texte
  • Überschriften
  • Kontrastverhältnis
  • Textskalierbarkeit
  • Zugänglichkeit via Tastatur
  • Bewegliche, Blinkende oder automatisch startende Inhalte
  • Multimedia-Alternativen
  • Webseitenstruktur

Die Aussagekraft in Bezug auf die Barrierefreiheit der Website ist vergleichsweise gering. Für eine aussagekräftige Konformitätsbewertung sind weitere Evaluationen (beispielsweise gemäß WCAG-EM) notwendig.

WCAG-EM

Die Easy Checks dienen dazu, Webseitenbetreibern einen ersten Eindruck von der allgemeinen Zugänglichkeit Ihres Onlineprojekts zu verschaffen. Für Webseitenbetreiber, die die Konformität ihres Webprojekts zu den WCAG zuverlässig und nachweisbar bestimmen möchten, hat die WAI mit der Website Accessibility Conformance Evaluation Methodology (WCAG-EM) einen Best-Practice-Ansatz entwickelt. Die Konformitätsbewertung gemäß WCAG-EM umfasst fünf Schritte:

  1. Bewertungsumfang bestimmen: Im ersten Schritt bestimmen Webseitenbetreiber, welche Bereiche ihres Onlineprojekts in die Konformitätsbewertung einbezogen werden sollen, und definieren die Ziele der Evaluation sowie die angestrebte Konformitätsstufe (A, AA oder AAA).
  2. Webauftritt untersuchen: Im zweiten Schritt bestimmen Webseitenbetreiber die zentralen Unterseiten und Kernfunktionen Ihres Onlineauftritts und klassifizieren die einzelnen Webpage-Typen hinsichtlich Funktionalität, Inhalt sowie Layout und Design. Darüber hinaus wird eine Liste aller Webtechnologien erstellt, die auf den untersuchten Seiten zur Anwendungen kommen.
  3. Repräsentative Webpages auswählen: Sofern es der Umfang des Webauftritts nicht zulässt, alle Webpages des Projekts zu evaluieren, wählen Webseitenbetreiber im dritten Schritt der WCAG-EM repräsentative Webpages für die Konformitätsbewertung gemäß vorgegebenen Richtlinien zufällig aus.
  4. Ausgewählte Webpages bewerten: Der vierte Schritt der WCAG-EM umfasst die Bewertung der Stichproben. Webseitenbetreiber beurteilen, welchen Erfolgskriterien der WCAG die ausgewählten Webpages gerecht werden und welchen nicht. Die Ergebnisse werden für das abschließende Gutachten festgehalten.
  5. Gutachten Konformitätsbewertung erstellen: Der letzte Schritt der Konformitätsbewertung gemäß WCAG-EM beinhaltet die Erstellung eines Gutachtens. Dieses fasst die Ergebnisse der einzelnen Evaluierungsschritte zusammen. Unterstützung bei der Erstellung des Gutachtens erhalten Webseitenbetreiber bei Bedarf durch das WCAG-EM-Report-Tool.

Eine Veröffentlichung des Konformitätsgutachtens ist nicht erforderlich. Die Ergebnisse der Evaluation bilden die Grundlage für eine (optionale) Konformitätserklärung (siehe oben).

Nutzergestützte Evaluation

Webseitenbetreiber, die die Zugänglichkeit ihres Onlineauftritts evaluieren möchten, konzentrieren sich in der Regel auf standardisierte Prüfverfahren wie WCAG-EM. Die WAI rät jedoch dazu, die Konformitätsbewertung – sofern möglich – mit einer nutzergestützten Evaluation zu verbinden. Auf diese Weise lassen sich auch Usability-Probleme identifizieren, die nicht im Kriterienkatalog der WCAG 2.0 erfasst wurden.

Eine nutzergestützte Zugänglichkeitsprüfung stützt sich in der Regel auf Menschen mit Einschränkungen sowie auf ältere Internetnutzer. Möglich sind informelle Prüfverfahren in Form von Befragungen sowie formalisierte Usability-Tests, die sich auf die statistische Auswertung bestimmter Aufgaben stützen, die mit der betreffenden Website zu tun haben.

Hinweise, wie Webseitenbetreiber die Seitenbesucher in solche Evaluierungsverfahren zur Barrierefreiheit involvieren können, stehen auf den Informationsseiten des WAI bereit.

Evaluierungstools

Im Netz finden Webseitenbetreiber diverse Tools, mit denen sich die Zugänglichkeit von Webauftritten evaluieren lässt. Auch das WAI ermutigt die Entwicklung entsprechender Programme und Web-Services. Doch eine Empfehlung für ein bestimmtes Evaluierungstools sucht man auf der Website des W3C vergebens. Stattdessen bietet die WAI eine umfangreiche Liste der zur Verfügung stehenden Evaluierungstools, die sich dank einer Filterfunktion bequem auf individuelle Bedürfnisse und den gewünschten Standard (neben WCAG 2.0 und WCAG 1.0 auch BITV) einschränken lässt.

Berücksichtigung der WCAG in Deutschland

In Deutschland werden die Interessen von Menschen mit Behinderung im „Behindertengleichstellungsgesetz“ (BGG) vertreten. Dieses schreibt Regelungen zur Herstellung der Barrierefreiheit im Onlineangebot der öffentlichen Verwaltung vor. Explizit formuliert werden entsprechende Maßnahmen in der „Verordnung zur Schaffung barrierefreier Informationstechnik nach dem Behindertengleichstellungsgesetz“ (BITV 2.0). Die Rechtsverordnung gilt für alle Internetauftritte von Behörden der Bundesverwaltung sowie deren öffentlich zugänglichen Internetangebote und orientiert sich an den Prinzipien und Richtlinien der WCAG. Eine Umsetzung der Vorgaben ist für diese Einrichtungen seit dem 31. Dezember 2005 verpflichtend. Private oder kommerzielle Angebote im Internet fallen nicht in den Geltungsbereich der BITV 2. 0. Betreibern wird aber angeraten, sich im Sinne der Nutzerfreundlichkeit nach den Empfehlungen des W3C zur Zugänglichkeit von Webangeboten zu richten.

Ausblick: WCAG 2.1

Bei den WCAG 2.0 handelt es sich um den aktuellen vom W3C empfohlenen Standard. Doch das WAI arbeitet bereits an einer neuen Version der Web Content Accessibility Guidelines: WCAG 2.1 soll schon im Jahr 2018 als Standard veröffentlicht werden und damit den Vorgängerversion WCAG 2.0 ersetzen. Dabei sichert das WAI Webseitenbetreiber eine Abwärtskompatibilität zu. Soll eine Website von WCAG 2.0 zu WCAG 2.1 überführt werden, müssen Sie also lediglich einige wenige neue Anforderungen berücksichtigen.

Mit WCAG 2.1 verfolgt das WAI das Ziel, die Zugänglichkeit von Webseiten für Internetnutzer mit geringen Sehvermögen, kognitiven Einschränkungen oder Lernschwierigkeiten zu verbessern. Zudem liegt der Schwerpunkt auf Vorgaben für die Barrierefreiheit mobiler Webinhalte. Eine Arbeitsversion der WCAG 2.1 (W3C Working Draft) finden Interessierte unter www.w3.org/TR/WCAG21/