Im Arbeitsalltag stellt man allerdings fest, dass es Aufgaben gibt, die wichtiger sind als andere. Um eine solche Priorisierung auch auf dem Kanban-Board deutlich zu machen, lassen sich sogenannte Swimmlanes einfügen. Dabei handelt es sich um horizontale Linien, die den Work-in-Progress-Bereich unterteilen. Beispielsweise kann das Team in einem oberen Bereich (einer Fastlane) alle Aufträge einfügen, die schneller als andere bearbeitet werden müssen, und weniger zeitintensive Aufträge weiter unten eintragen. So kann sich jedes Teammitglied schnell einen Überblick über die derzeitigen Prioritäten verschaffen.
Durch diese Darstellung erhöht man die Transparenz der Arbeit auf ganz einfache Weise. Mit Kanban entscheidet man sich aber nicht nur für eine hilfreiche Visualisierung des Workflows, sondern wählt auch eine Methode, die die Aufträge begrenzt: Bevor man beginnt, Kanban in der Produktion einzusetzen, legt man fest, wie viele Aufträge gleichzeitig bearbeitet werden dürfen. Während es keine Einschränkung für die beiden äußeren Spalten gibt, hat jede mittlere Spalte einen eigenen Höchstwert. So darf ein Team pro Schritt nur zwei Karten gleichzeitig bearbeiten, denn Multitasking führt – laut Verfechtern von Kanban – eher zu Verzögerungen im Ablauf.
Statt wie oft üblich Aufgaben von einem Schritt zum nächsten zu schieben, verfolgt man bei Kanban die Pull-Methode. Die Aufgabe wird also „gezogen“. Erst wenn das Team wieder Kapazitäten in der Spalte frei hat, nehmen sich die Mitarbeiter eine neue Aufgabe aus der Spalte links von ihrer eigenen. Dies bedeutet auch, dass Spalten oftmals zusätzlich zweigeteilt sind: auf der einen Seite Aufgaben, die gerade bearbeitet werden, und auf der anderen solche Aufgaben, die an die nächste Station wandern können.
Die Begrenzung sorgt zudem dafür, dass Kapazitäten effizienter verteilt werden können. Besonders wenn eine Aufgabe mehrere Schritte durchläuft, bevor sie fertiggestellt ist, kann es ansonsten zu Staus kommen. Sollte die erste Station schnell arbeiten, es aber im zweiten Schritt zu einem Problem kommen, dürfen die Mitarbeiter der ersten Station laut Kanban nicht weiterarbeiten. Stattdessen nutzen sie die frei gewordenen Kapazitäten, um der zweiten Station bei der Lösung des Problems zu helfen.
Neben dem Limit für gleichzeitige Aufträge können auch weitere Regeln klar und deutlich am Kanban-Board dargestellt werden. Dazu gehört etwa, ab wann man einen Auftrag als erledigt und damit bereit für die Übergabe an die nächste Station kennzeichnen darf. Es muss zudem klar sein, dass diese Regeln veränderlich sind. Zu agilen Prozessen gehört es schließlich auch, diese regelmäßig zu hinterfragen und anzupassen.
Um den Arbeitsablauf langfristig zu verbessern, ist es wichtig, Feedback auszutauschen. Hierfür sieht Kanban regelmäßige Meetings (sogenannte Kadenzen) vor, gibt aber keine direkten Vorgaben, wann oder wie oft diese auftreten sollen. Stattdessen gibt der Kanban-Pionier David J. Anderson einige Vorschläge: ein tägliches Kanban-Meeting (ähnlich dem Daily Scrum), verschiedene themenspezifische Reviews und andere Meetings.
Der Austausch unter den Kollegen passt zum generellen Verständnis von Kanban: Es geht immer darum, den Workflow und das Produkt zu verbessern. Ausgehend vom Ist-Zustand soll das Team nach und nach neue Verbesserungen einbauen, statt einen großen Umschwung zu organisieren. Vielfach wird diese Herangehensweise mit der japanischen Philosophie Kaizen verglichen. Die Theorie, die sich inzwischen vor allem in der Unternehmensführung wiederfindet, propagiert die fortwährende Verbesserung (Kaizen = jap. für „Wandel zum Besseren“). Ein Endziel hingegen gibt es nicht. Laut Kaizen kann man immer weitere Veränderungen vornehmen.
Insgesamt lassen sich sechs verschiedene Praktiken von Kanban ausmachen:
- Visualisierung: Das Kanban-Board ist eine Visualisierung der Arbeitsabläufe. Die Gestaltung selbst bleibt aber relativ offen. Wichtig ist nur, dass Stationen klar sind und für jede Spalte das entsprechende Limit angezeigt wird.
- Limitierung: Jede Spalte darf nur eine maximale Anzahl an Aufträgen enthalten. Erst wenn eine Auftragskarte weiter nach rechts wandert, darf sich das Team eine neue Karte von links nehmen. Dies führt zwangsläufig zu einem effizienteren Workflow.
- Management: Während des Arbeitsprozesses kann es zu Blockaden und Engpässen kommen. In solchen Situationen ist es notwendig, den Fokus des Teams darauf zu legen, diese Störungen aus dem Weg zu schaffen. Außerdem kann die Beobachtung des Workflows dafür sorgen, Kapazitäten langfristig korrekt zu verteilen.
- Regulierung: Explizite Prozessregeln sind dafür gedacht, die Arbeitsabläufe transparenter und klarer zu gestalten. Zu solchen Regeln gehört z. B. die Festlegung der Limits, aber auch eine Definition, ab wann eine Aufgabe als erledigt gilt. Prozessregeln müssen ebenfalls ein sichtbarer und veränderbarer Teil des Kanban-Boards sein.
- Feedback: Rückmeldungen sind ein notwendiger Teil von Arbeitsabläufen, denn nur so lassen sich diese verbessern. Dafür sind regelmäßige Meetings vorgesehen, sogenannte Kadenzen. Anders als Scrum gibt Kanban aber kein starres Gerüst für solche Treffen.
- Kaizen: Prozesse im Team sollen mit Kanban kontinuierlich verbessert werden. Die Theorie geht somit davon aus, dass man kein Optimum erreichen kann, sondern dauerhaft an Verbesserungen arbeitet.