Programmatic Advertising: Die effiziente Art, Onlinewerbung zu schalten

Wer sich mit Onlinemarketing beschäftigt, ist wahrscheinlich bereits über den Begriff Programmatic Advertising gestolpert. Doch obwohl die Methode in Deutschland seit rund zehn Jahren als Trendthema durch die Branche geistert, nutzen noch nicht alle Unternehmen die Chancen der smarten Werbeanzeigen. Ein Grund: Vielen Anwendern ist nicht klar, was sich hinter dem Konzept des Programmatic Advertisings verbirgt.

Was ist Programmatic Advertising?

Seit der Jahrtausendwende löst Programmatic Advertising („programmatische Werbung“) in der Onlinewerbung – zumindest in den USA – zunehmend traditionelle Anzeigenprozesse ab.

Über spezielle Onlineplattformen werden Werbeflächen voll automatisiert in Echtzeit-Auktionen (Real-Time Bidding) verkauft. Dabei werden Nutzerdaten berücksichtigt, sodass Werbetreibende festlegen können, welchen Nutzern welche Anzeige wann und wo ausgespielt wird. So können sie ihre Zielgruppe möglichst effizient erreichen. Dieses Real-Time Bidding mit Targeting nutzt Big Data und Algorithmen und war in früheren Anzeigeprozessen so nicht abbildbar. Real-Time Bidding ist ein wesentliches Unterscheidungsmerkmal des Programmatic Advertisings im Vergleich zu anderen Formen des Display Advertisings.

Definition: Programmatic Advertising

Programmatic Advertising ist eine auf AI und maschinellem Lernen basierende Methode, um Onlinewerbung über spezialisierte Plattformen in Echtzeit-Auktionen zu buchen, effizient auszuspielen und zu optimieren. Diese Display-Werbemethode wird daher auch Real-Time Advertising (RTA) genannt.

Historischer Rückblick: Vom TKP zum Programmatic Advertising

Früher buchten Unternehmen Onlinewerbeplätze nach individuellen Verhandlungen mit dem Website-Betreiber (Publisher). Preise für Werbung wurden klassisch in TKP, dem Tausend-Kontakt-Preis, abgerechnet. Dieser manuelle Prozess erforderte Zeit und Arbeitskräfte. Ein spezielles Targeting konnte nicht erfolgen. Eine Anzeige wurde auf dem Anzeigenplatz angezeigt, egal welcher Nutzer die Website besuchte.

Etwas später entstanden Advertising Networks, die Anzeigen direkt an viele verschiedene im Netzwerk vertretene Websites ausspielten. Hier wurden vor allem übriggebliebene und nicht in Direktverhandlungen verkaufte Werbeplätze angeboten. Statt zum Festpreis kamen in den Networks erstmals Auktionen zum Einsatz, doch ein Targeting war weiterhin nicht möglich.

Programmatic Advertising ist im deutschsprachigen Raum erst in den letzten zehn Jahren ins Blickfeld von Werbern und Onlinemarketern gerückt und gewinnt seitdem kontinuierlich an Bedeutung. Die Methode existiert allerdings schon fast 20 Jahre. Sie entstand Ende der 1990er-Jahre in den USA, orientiert am vollautomatisierten Börsenhandel, der damals schon lange Standard war. Googles Übernahme des Advertising-Netzwerks DoubleClick 2008 gilt als Meilenstein im Programmatic Advertising, mit dem die Methode in den USA aus der Nische in den Mainstream vorrückte.

Für wen ist Programmatic Advertising relevant?

Programmatic Advertising ist für alle Unternehmen interessant, die online (Desktop und mobil) Werbung schalten wollen, sowie für Media-Agenturen, die für diese Unternehmen das Onlinemarketing übernehmen.

Programmatische Anzeigen eignen sich insbesondere, wenn nur Teilsegmente der eigenen Zielgruppe mit Werbung erreicht werden sollen. Da über diverse Kriterien dezidiert festgelegt werden kann, welchem Nutzer wann und wo eine spezifische Anzeige ausgespielt wird, ist die Wirkung dieser personalisierten Werbung deutlich höher als bei anderen Methoden, bei denen eine Anzeige für die gesamte Zielgruppe geschaltet wird.

Wie laufen Auktionen beim Programmatic Advertising ab?

Besucht ein Nutzer beispielsweisen einen Onlineshop, werden die Nutzerdaten an AdExchange (Plattform zum Kauf und Verkauf von programmatischen Anzeigen) geschickt. Die Daten werden dort mit den Kriterien von Werbetreibenden abgeglichen und eine Echtzeit-Auktion findet statt. Diese Prozesse laufen innerhalb von Millisekunden statt, während die Website lädt. Die durchschnittliche Ladezeit beträgt 2,6 Sekunden. Eine Auktion dauert in der Regel zwischen 50 und 100 Millisekunden.

Der Höchstbietende darf seine Werbeanzeige dann auf dem Anzeigenplatz der Website ausspielen. Der Preis für die Anzeigenschaltung folgt dem Prinzip der Zweitpreisauktion, d. h. der Bieter zahlt 1 Cent mehr als der Zweitbietende.

Hat der Werbetreibende beispielsweise hinterlegt, dass er nur Anzeigen für Frauen zwischen 30 und 50 Jahren schalten will, und der Nutzer ist 60 Jahre alt, wird ihm keine Anzeige des Werbetreibenden angezeigt (sondern wahrscheinlich eine andere). Die Anforderungen können jedoch auch weiterreichend sein.

Verlässt der Nutzer den Webshop ohne Kauf und sieht beim nächsten Besuch einer Nachrichtenseite Werbung für ebendiesen Shop, hat der Werbetreibende ungefähr folgende Kriterien für seine Anzeige hinterlegt: „Zeige die konkrete Anzeige allen Website-Besuchern, die unsere Seite ohne zu kaufen verlassen haben.“

Programmatic Advertising vs. Real-Time Bidding

Teilweise werden die Begriffe Programmatic Advertising und Real-Time Bidding synonym verwendet. Das ist allerdings nicht ganz korrekt: Real-Time Bidding ist ein zentraler Aspekt von Programmatic Advertising, beschreibt aber nur den technischen Aspekt der Echtzeit-Auktion. Er bezieht sich auf das Preisfindungsverfahren.

Die Prozesse und technischen Strukturen zur automatisierten und dynamischen Aussteuerung einzelner Werbeanzeigen wie Demand-Side Platform (DSP) und Supply-Side Platform (SSP) werden damit nicht erfasst.

Methoden des Targeting: Welche Kriterien können Unternehmen festlegen?

Es gibt verschiedene Targeting-Methoden, die Werbetreibende nutzen können, um über Plattformen des Programmatic Advertising die gewünschten Website-Nutzer zu erreichen. Zu den wichtigsten Methoden gehören:

Contextual Targeting (Kontext-Targeting): Hierbei werden Anzeigen auf Basis von Keywords und semantischem Kontext platziert. Finanzdienstleister können z. B. entscheiden, Anzeigen ausschließlich auf Websites von Wirtschaftsmagazinen zu schalten. Dabei müssen nicht spezifische Keywords auf der Website erscheinen, sondern semantisch ähnliche.

Keyword Targeting: Werbetreibende legen spezifische Keywords fest. Sobald diese Keywords auf einer Website mit Anzeigenplatz auftreten, wird auf die Werbeoption geboten.

Data Targeting / Behavioral Targeting: Hierbei werden Anzeigen geschaltet, sobald der Nutzer bestimmte Kriterien erfüllt oder ein bestimmtes Verhalten zeigt. Die erforderlichen Nutzerdaten werden über Cookies gesammelt. Werbetreibende können so z. B. Anzeigen nur an solche Nutzer ausspielen, die bereits ihre Website besucht haben.

Geotargeting: Vor allem lokale Unternehmen profitieren von Geotargeting. Anzeigen werden nur für Nutzer aus einer bestimmten Region oder Stadt angezeigt.

Die Technologie: Wie funktioniert Programmatic Advertising?

Das technologische Herzstück von Programmatic Advertising sind die AdExchanges, die Onlinemarktplätze, auf denen die Echtzeit-Auktionen abgewickelt werden und über die Werbetreibende (Merchants) und Websitebetreiber (Publisher) zusammenfinden.

Zu den größten Anbietern von AdExchages gehören:

  • AppNexus
  • AOL’s Marketplace
  • Microsoft Ad Exchange
  • Google Marketing Platform
  • OpenX
Hinweis

Die meisten AdExchanges vermarkten Werbeplätze sowohl für Desktop als auch Mobile.

Um einen AdExchange zu nutzen, registrieren sich Werbetreibende auf einer Demand-Side Platform (DSP). Diese bündelt die Nachfrage von Werbetreibenden. Wenn ein Nutzer eine Website besucht, die an einen AdExchange angebunden ist, sendet die Website dann ein Auktionssignal an den AdExchange. Die Plattform fragt vollautomatisch bei der DSP an, ob der Werbetreibende aktuell passende Anzeigen für den Werbeplatz platzieren möchte. Ist das der Fall, sendet die DSP ein Signal an den AdExchange, dass der Merchant an der Auktion teilnimmt.

Websitebetreiber wiederum registrieren sich bei einer Supply-Side Platform (SSP), dem Pendant zur DSP auf Seite der Publisher, um ihre Anzeigenplätze über Programmatic Advertising zu verkaufen. Dabei können sie angeben, zu welchem Mindestpreis sie einen Anzeigenplatz verkaufen wollen, und darüber hinaus Kriterien für Käufer und Kanäle festlegen. Um einen möglichst hohen Preis für Werbeplätze zu erzielen, können SSPs mit diversen AdExchanges verbunden sein.

Hinweis

Google Ads ist aus technischer Sicht ein DSP, aber die Werbeplätze sind auf Websites des Google Display Network beschränkt. Das Netzwerk deckt zwar einen Großteil der weltweiten Websites ab, hat aber einige blinde Flecke, z. B. können keine Facebook Display Ads über Google geschaltet werden. Google-unabhängige Anbieter von Programmatic Advertising bieten daher mitunter, je nach Werbeziel, eine bessere Abdeckung.

Was sind die Vorteile von Programmatic Advertising?

Eine der größten Herausforderungen für Unternehmen im E-Commerce sind die komplexen Kaufentscheidungsprozesse des Kunden. Er kommt über verschiedene Kanäle, Suchmaschinen und soziale Netzwerke auf die Unternehmenswebsite, verlässt sie wieder, besucht sie später nochmals vom Smartphone oder kehrt niemals zurück.

Statt Werbung lediglich auf thematisch passenden Websites zu schalten, lassen sich die Streuverluste der Onlinewerbung durch Programmatic Advertising drastisch reduzieren. Denn damit es ist möglich, dem Nutzer auf den tatsächlich besuchten Websites personalisierte Werbung auszuspielen, auch kanalübergreifend, und dabei zusätzlich bestimmte Aktivitäten oder demografische Merkmale zu berücksichtigen.

Der Einsatz der programmatischen Plattformen mit ihren lernenden Algorithmen führt zu einer erheblichen Effizienzsteigerung von Onlinemarketing-Maßnahmen und zu einer merklichen Kostensenkung im Vergleich zum früheren Werbeprozess.

Verbreitung in der Unternehmenspraxis und Blick in die Zukunft

Programmatic Advertising ist der neue Gold-Standard in der Display-Werbung. In den USA gaben Unternehmen 2018 über 80 Prozent ihres Onlinewerbebudgets für Programmatic Advertising aus und auch in Europa und Deutschland gewinnt die Methode immer mehr an Bedeutung. Laut einer Studie des Interactive Advertising Bureau (IAB) setzen europäische Unternehmen im Durchschnitt zu 65 Prozent auf Programmatic Advertising. In Deutschland nutzen immerhin 48 Prozent der Unternehmen die smarte Form der Display-Werbung.

Wer effiziente Onlinewerbung schalten will, kommt um Programmatic Advertising nicht mehr herum. In einer Google-Studie wurde die Methode bereits vor einigen Jahren als das neue Betriebssystem des Onlinemarketings bezeichnet. Und das Potenzial der Methode ist noch lange nicht ausgeschöpft: Mit der Weiterentwicklung von künstlicher Intelligenz und maschinellem Lernen werden Werbetreibende in Zukunft noch mehr und noch bessere Möglichkeiten haben, ihre Anzeigen zum perfekten Zeitpunkt auf dem besten Kanal an die passenden Nutzer auszusteuern.

Bitte beachten Sie den rechtlichen Hinweis zu diesem Artikel.

War dieser Artikel hilfreich?
Page top