Zoom Fatigue: Wie Sie Ermüdung durch Videokonferenzen vermeiden

14,8 Millionen Menschen in Deutschland sind laut einer Studie des Instituts der Deutschen Wirtschaft Büroarbeiter, und ein Großteil von ihnen nutzt regelmäßig Anwendungen für Videokonferenzen. Seit der Corona-Pandemie ist die Zahl der Anwender der digitalen Konferenztools explodiert. Die virtuellen Meetings haben viele Unternehmen vor größeren wirtschaftlichen Schäden bewahrt, doch für Angestellte sind sie eine Belastung.

Wir erklären, was es mit dem neuen Phänomen der Zoom Fatigue auf sich hat, welche Ursachen die Ermüdung durch Videokonferenzen hat und was Sie als Teilnehmer tun können, um ihr entgegenzuwirken.

Was ist Zoom Fatigue?

Dass ein Konferenzmarathon ermüdet, ist keine neue Erkenntnis. Als mit Beginn der Corona-Pandemie viele Mitarbeiter ins Homeoffice wechselten, rechneten sie damit, dass die Anzahl der Konferenzen eher sinken und die wenigen Onlinemeetings keinen großen Stress verursachen würden. Schließlich würden sie bequem in ihrem Homeoffice sitzen, sich mit ein paar Klicks zum Onlinemeeting einwählen, und sie könnten sogar die Büroschuhe im Flur stehen lassen. Doch das Aufkommen der Videokonferenzen stieg rasant und nach kurzer Zeit wurde klar: Auch Videokonferenzen verursachen eine eigene Art von Stress und wirken dadurch besonders ermüdend.

In der öffentlichen Diskussion über das neue Phänomen bildete sich ein eigener Begriff heraus: Zoom Fatigue.

Zoom ist eines der verbreitetsten Tools für Videokonferenzen und wurde daher namensgebend für das neue Phänomen. Zoom Fatigue beschränkt sich keineswegs nur auf Müdigkeit, die durch Zoom-Calls entsteht, sondern wird generalisierend verwendet. Auch bei den Zoom-Alternativen kann man die gleichen Symptome feststellen. Fatigue leitet sich vom französischen Wort fatigue für „Müdigkeit“ ab. Übersetzt meint Zoom Fatigue also nichts anderes als die Erschöpfung durch Videokonferenzen.

Hinweis

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Zoom Fatigue: Die negativen Folgen von Videokonferenz-Overload

Bisher gibt es nur wenige Studien, die ein umfassendes Bild zeichnen, wie sich die hohe Zahl von Videokonferenzen auf die psychische und physische Verfassung von Mitarbeitern auswirkt. Viele Einschätzungen basieren bisher auf einzelnen Berichten und medialen Stimmungsbildern.

Eine Studie der Hochschule für Wirtschaft und Gesellschaft in Ludwigshafen liefert jedoch erste Ergebnisse. Dort wurde untersucht, wie verbreitet Zoom Fatigue überhaupt unter deutschen Büroangestellten ist: 60 Prozent der Befragten gaben an, das Phänomen selbst zu kennen, 15 Prozent litten sogar dauerhaft darunter.

Auch zu den konkreten Symptomen gibt die Studie Aufschluss. Demnach scheint Zoom Fatigue mehr als reine Erschöpfung zu sein. Von folgenden Symptomen berichteten die Studienteilnehmer:

  • Konzentrationsschwierigkeiten
  • Zunehmende Ungeduld und Gereiztheit
  • Kopf- und Rückenschmerzen
  • Glieder- und Magenschmerzen (lt. Studienleitung zu erwarten)

In Folge der Ermüdung sinken die Produktivität im Homeoffice sowie die Qualität der Arbeitsergebnisse und die Wahrscheinlichkeit für Fehler steigt.

Die Aussagekraft der Ludwigsburger Studie ist mit 422 Teilnehmern noch relativ gering. Doch aus psychologischer Sicht ist es leicht erklärbar, dass Videokonferenzen belasten.

5 Gründe, warum Videokonferenzen so schnell ermüden

Meetings per Videokonferenz-Software sind praktisch, doch im Vergleich zu persönlichen Meetings sind Teilnehmer bei virtuellen Begegnungen vor neue psychologische Herausforderungen gestellt – deren Bewältigung fordert unser Gehirn, zieht Energie und kann zu der vielbesprochenen Zoom Fatigue führen.

Nonverbale Kommunikationssignale sind schwerer zu erkennen

Videokonferenzen haben zwar den Vorteil, dass wir die Mimik und Gestik unseres Gegenübers sehen können, doch unser Blickfeld ist eingeschränkt. Je nach Kameraeinstellung fällt es schwer, den Blick des Gegenübers zu lesen. Bei Meetings mit vielen Teilnehmern ist es kaum möglich, die Reaktionen aller auf Gesprächsbeiträge wahrzunehmen, so wie es das periphere Sehen in einem echten Konferenzraum erlaubt.

Körpersprache, Blickkontakt und die Position des Redners im Raum – nonverbale Signale helfen Menschen, das Gesagte einzuordnen. Unser Gehirn ist in Onlinemeetings permanent damit beschäftigt, die fehlenden Informationen zu kompensieren. Dass dieses Bemühen anstrengt und ermüdet, fand eine US-Studie bereits 2008 heraus.

Erhöhte Selbstaufmerksamkeit erzeugt Stress

In Konferenzräumen hängen selten Spiegel, und das aus gutem Grund: Viele Menschen haben eine schwierige Beziehung zu ihrem Spiegelbild. Nun wird bei Onlinemeetings jedoch immer das eigene Bild in einem kleinen Fenster angezeigt. Dies sorgt für erhöhte Selbstaufmerksamkeit, die oft kritisch ausfällt. Teilnehmer können dadurch verunsichert werden und sich selbst in Frage stellen. Sie prüfen beispielsweise, ob ihr Outfit sitzt und sie professionell erscheinen. Diese Grübeleien begünstigen nicht nur Zoom Fatigue, sie ziehen auch Aufmerksamkeit auf sich, die eigentlich auf die Inhalte der Konferenz gerichtet sein sollte.

Technische Störungen behindern und beeinflussen den Gesprächsfluss

Trotz Highspeed-Internet und Glasfasernetzausbau kommt es in Videokonferenzen immer wieder zu Übertragungsverzögerungen. Eine Studie fand heraus, dass bereits eine Sekunde Verzögerung für das menschliche Gehirn Mehranstrengung bedeutet. Und nicht nur das: Wir nehmen unseren Gesprächspartner als weniger aufmerksam, gewissenhaft und extravertiert wahr, was den weiteren Konferenzverlauf beeinflussen kann.

Die zwischenmenschliche Ebene ist beeinträchtigt

Unabhängig von technischen Störungen führt allein die Kommunikation über Hilfsmittel wie Videokonferenzen dazu, dass Menschen einander weniger vertrauen und das gegenseitige Verständnis erschwert ist, wie eine Studie anhand der Behandlung von Asylsuchenden bei der kanadischen Einwanderungsbehörde herausfand.

Als ungünstiger Faktor kommt hinzu, dass es nicht möglich ist, direkten Blickkontakt zum Gesprächspartner aufzunehmen, weil man dafür in die Kamera sehen muss, was dazu führt, dass man das Gegenüber selbst nicht mehr sehen kann. Doch direkter Blickkontakt ist wichtig, um Aufmerksamkeit zu signalisieren und Vertrauen aufzubauen.

Meeting-Teilnehmer versuchen bewusst oder unbewusst diese Störungen der nonverbalen Ebene zu kompensieren und dennoch eine gute zwischenmenschliche Ebene herzustellen. Eine mentale Arbeit, die erschöpft und Zoom Fatigue fördert.

Die Versuchung von ermüdendem Multitasking steigt

In einem persönlichen Meeting ist die Hürde recht hoch, Mails abzurufen, Termine zu prüfen und Nachrichten zu verschicken, während ein Kollege den nächsten Agenda-Punkt vorstellt. Zurückgezogen am Rechner fällt es nicht auf, wenn der Blick ein wenig umherschweift und zu anderen Anwendungen wandert. Gerade bei längeren Meetings neigen Teilnehmer dazu, währenddessen andere To-dos abzuarbeiten. Sie versuchen auf diese Weise ihre Produktivität zu erhöhen, doch das Multitasking ermüdet und die Qualität ihrer Arbeit leidet.

Effektive Tipps gegen Zoom Fatigue

Anzahl der Meetings prüfen

Um Zoom Fatigue entgegenzuwirken, hilft es vor allem zu prüfen, wie viele Konferenzen wirklich notwendig sind. Muss jedes Teammitglied an jedem Meeting teilnehmen? Genügt ein wöchentlicher Call, in dem Themen gebündelt besprochen werden?

Meeting-Dauer beschränken

Lässt sich die Zahl der Onlinemeetings nicht reduzieren, sollte man zumindest versuchen, die Dauer der einzelnen Sitzungen zu begrenzen. Experten raten, nicht länger als 45 Minuten am Stück zu konferieren und Meetings so zu legen, dass Teilnehmer mindestens 15 Minuten Pause bis zum nächsten Termin einhalten können. Auf diese Weise kann sich das Gehirn etwas von der digitalen Beschallung erholen.

Tipp

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Alternativ eine Telefonkonferenz erwägen

In der Vergangenheit wurde häufig pauschal auf Videokonferenzen gesetzt, wenn es darum ging, eine persönliche Besprechung zu ersetzen. Doch in vielen Fällen sind sie nicht das beste Format.

Soll die reine Informationsvermittlung oder -erarbeitung im Fokus stehen und kennen sich die Gesprächspartner bereits seit Längerem, führt eine Telefonkonferenz wahrscheinlich zu besseren Ergebnissen. Teilnehmer können sich auf die Ergebnisse konzentrieren, verlieren sich weniger in Selbstbeobachtung und ihr Gehirn ist weniger damit beschäftigt, die anderen Teilnehmer zu analysieren.

Eine Videokonferenz eignet sich besser, wenn es darum geht, eine Person kennenzulernen, und die persönliche Ebene eine wichtige Rolle spielt. Trotz ihrer Schwächen ist die Begegnung per Video dann die beste Annäherung an eine persönliche Begegnung. Wenn Sie einige Hinweise beachten, können Sie auch online erfolgreiche Meetings gestalten.

Zoom Fatigue: Nicht nur ein individuelles Problem

Homeoffice und Remote-Arbeit werden nach der Pandemie nicht wieder auf das vorherige Level zurückfallen, und damit bleibt Zoom Fatigue eine Herausforderung, der sich Unternehmen stellen müssen, wenn sie wollen, dass ihre Teams effektiv zusammenarbeiten.

Unternehmen sollten den gesunden Umgang mit Videokonferenzen nicht allein als Verantwortung des einzelnen Mitarbeiters verstehen, sondern Standards einführen, um einen klaren Rahmen für die Teamorganisation zu setzen. Dieser schafft Sicherheit auf Seiten der Entscheider, stärkt die Produktivität des Unternehmens und schützt die Gesundheit der Mitarbeiter. Eine klare Win-win-win-Situation.